Realgymnasium Rämibühl Zürich

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Demokratie in Höchstform: Ein Spektakel im Rathaus

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Was für ein denkwürdiger Tag im Rathaus! Von dem regelmässigen Erklingen der Präsidiumsglocke über persönliche Angriffe bis hin zu rauschenden Mikrofonen – die Sitzung hatte alles, was das Herz jedes/jeder politisch interessierten RG-Schüler*in höher schlagen lässt.

Bereits zu Beginn zeigten sich nicht nur einige Politiker*innen, darunter auch Präsidiumsmitglieder, von den Mikrofonen überfordert, sondern offenbar auch von der Schweizer Pünktlichkeit. Carlotta Busenhart (SP) und Sophia Voncke (GLP) schafften es mit Verspätung in den Saal – Grund: ein Fahrstuhl, der kurzerhand stecken blieb. Peter Güttler (GLP) toppte das noch, indem er zu seiner eigenen Gegenrede zu spät erschien – ein Statement der besonderen Art!

Während die SVP und AL sogleich in einem verbalen Schlagabtausch versanken, wurde gleich mehrfach die Würde der deutschen Sprache angegriffen – insbesonders in den Vorwürfen von Bestechung und gekauften Stimmen. Weitere schwerwiegende Anschuldigungen wurden regelmässig geäussert, darunter auch eine Reaktion auf einen SVP-Vorstoss, der als „unauffälliger Versuch, die Todesstrafe wieder gesellschaftsfähig zu machen“, getarnt sein soll. Gabriel Pauli (FDP) setzte dem Ganzen noch die Krone auf, indem er Lionel Rupf (GLP) einfach „Lio“ nannte – ein Skandal, der möglicherweise tiefere politische Implikationen hat. Diese freundschaftliche Floskel zeugt von unprofessionell engen Verhältnissen zwischen den beiden Politikern.

Die SVP glänzte als „Comedy-Truppe“, wie Marwin Grassmayr (AL) bei jeder Gelegenheit betonte, wobei nicht ganz klar wurde, ob sie sich ihrer eigenen Selbstinszenierung bewusst war. Während der ersten 3 Abstimmungen war die SVP-Mitglieder überzeugt davon, dass ihnen ganze 22 Stimmen zustehen, obwohl nur 21 Mitglieder*innen in ihren Bänken sassen.

Nicht nur rhetorisch, auch optisch wurde Stellung bezogen: SP, Grüne und AL überzeugten mit einer beeindruckenden farblichen Einheitlichkeit, passend zur Parteifarbe. Auch die Parteien auf der rechten Seite des Saals überzeugten mit professionellem Auftreten, zumindest was die Kleiderwahl betraf. Dennoch durften die (modischen) Ausreisser nicht fehlen, die quer durch die Parteienlandschaft zu finden waren: Vinzent Spiegel (SP) kombinierte Sozialismus mit Luxus – Burberry-Schal inklusive. Aron Peklak (Mitte) wirkte optisch wie ideologisch („nur weil ich rechts bin, darf ich trotzdem sagen, was ich will“) wie ein SVP-Anwärter. Gian Siepen, FDP-Mitglied mit rebellischem Geist, stimmte munter gegen den parteiinternen Konsens - ein wahrer Freigeist!

Selbstverständlich durfte auch die persönliche Ebene nicht fehlen. Sergey Kositsyn (AL) weigerte sich konsequent, weibliche Begriffe zu benutzen – offenbar gibt es in seiner Welt keine Milliardärinnen, sondern nur männliche Profiteure. Iohan Seyfarth (SVP) bewies derweil feinsten Sarkasmus, indem er einen linken Vorstoss als absolut reizend bezeichnete, unter der Annahme, dass dieser keinerlei Ahnung von Wirtschaft habe.

Der goldene Preis für den persönlichsten Tiefschlag ging jedoch an Salomon Hürlimann (SVP), der Sergey nicht nur politisch, sondern gleich auch immobilientechnisch demontierte: „Ferienhaus in Kitzbühel, schönes Haus in Gockhausen…“ – ein Argument, das sich sicherlich auch in einer Wahldebatte gut macht.

Was bleibt von diesem Spektakel? Neben massiven Angriffen auf die Sprache, hitzigen Wortgefechten und einer Lift-Panne war es vor allem ein Beweis, dass Demokratie manchmal weniger nach Staatskunst und mehr nach einem Improvisationstheater klingt. Vielleicht war genau das die wahre Lektion dieses Morgens: Politik ist nicht nur ein hartes Geschäft, sondern auch eine unfreiwillige Comedy-Show mit beeindruckendem Unterhaltungswert.

Text: Julie Vankova (6b) und Jessica Loepfe (6d)