Realgymnasium Rämibühl Zürich

E68D9266-4A4F-45A4-A143-C5299345611A.jpeg
77A93224-66E6-49AF-8083-E8F5E2AEA53C.jpeg
71505A08-DD00-4068-BA4E-6F24FEC3D469.jpeg
F9457B8D-F256-4977-A924-3824FAC4B158.jpeg
A839DA42-5B28-4C8C-8A9C-9DBDAD1B5F13.jpeg

RG-Projekttage: Fokuswoche der Klasse 5b

E68D9266-4A4F-45A4-A143-C5299345611A.jpeg

Im Rahmen der Fokuswoche beschäftigten wir uns mit dem Thema „Der Mensch im sozialen Kontext: Macht, Autorität und Gehorsam“.
Der Montag begann mit einer moralischen Dilemma-Situation, die den Konflikt zwischen den Bedürfnissen des Individuums und der Gesellschaft verdeutlichte. Beim sogenannten „Liegestuhl-Problem“ ging es u.a. um die Frage, wie man den Konflikt, der entsteht, wenn die Nachfrage nach Liegestühlen zu gross und das Angebot zu klein ist, lösen könnte. Aus der Klasse kamen viele Vorschläge: Hilft es, alle Liegestühle zu entfernen oder das Angebot zu vergrössern? Sollten gewisse Regeln etabliert werden? Jeder Vorschlag zog zahlreiche Probleme nach sich. Könnten diese durch eine Führungsperson, in diesem Fall dem Kapitän des Kreuzfahrtschiffes, gelöst werden, indem er das Zepter in die Hand nehmen würde?

Im weiteren Verlauf setzten wir uns mit den Merkmalen einer sozialen Gruppe auseinander und ermittelten anhand der Theorie, ob beispielsweise die NATO als Gruppe bezeichnet werden kann. Dass der Einzelne dem Einfluss der Gruppe ausgesetzt ist, bewies das „NASA-Weltraumspiel“: Die Aufgabe bestand darin, die aufgeführten Gegenstände zuerst in Einzel- und anschliessend in Gruppenarbeit in eine Rangordnung zu bringen, wobei der Gegenstand auf den 1. Platz der Liste gesetzt werden soll, der für den Marsch zum Mutterschiff am wichtigsten gehalten wird. Das Experiment war sehr spannend, da man dabei Gruppen- und Rollenverhalten sowie gruppendynamische Prozesse beobachten konnte.

Die soziale Gruppe ist von grosser Bedeutung, dennoch sollten die Gefahren, die mit dem „Konformitätsdruck“ einhergehen, nicht unterschätzt werden. Wer würde sich trauen, das Konzert eines guten Freundes zu kritisieren, wenn alle anderen es toll fänden? Sagt man seine ehrliche Meinung oder lügt man lieber?

Am Dienstag folgte ein weiteres sozialpsychologisches Experiment. Wir sollten uns in die Position von Achtjährigen versetzen und in den jeweiligen Gruppen eine Führungsperson bestimmen, die eine grosse Tüte Bonbons besitzt und diese nutzt, um die anderen Gruppenmitglieder sowohl kurz- als auch langfristig für sich zu gewinnen und AnführerIn zu bleiben. Wir kamen zu der Erkenntnis, dass Belohnung, Angst vor Sanktionen und Anerkennung wichtige Mittel zur Führung einer Gruppe sind.
Der anschliessende Vortrag des Bildungsphilosophen Roland Reichenbach zur „Autorität“ konnte voll und ganz überzeugen: Professor Reichenbach zeigte, mit viel Witz und Humor, Widersprüche bei grundlegenden Prinzipien unserer modernen, westlichen Gesellschaft auf.

Am Nachmittag standen erneut wichtige sozialpsychologische Experimente im Vordergrund: Das „Milgram-Experiment“ unterstrich, wie weit der Gehorsam gegenüber einer Autoritätsperson geht, wenn dabei Dinge abverlangt werden, die anderen Menschen schaden. Im „Stanford-Prison-Experiment“ ging es um die Verhaltensänderung in neu geschaffenen „sozialen Realitäten“, hier einer Gefängnisanstalt mit Wächtern und Gefangenen. Es war interessant, wie in beiden wissenschaftlichen Versuchen sich das Handeln der Probanden durch die Dynamik der Situation so veränderte, dass sie gegen Normen der Moral und des Verhaltens verstiessen.

Darauf folgte ein Filmausschnitt von einer umstrittenen Übung der Lehrerin Jane Elliott. Sie hatte versucht, ihren Schülerinnen und Schülern die Absurdität der Rassentrennung näherzubringen - dies durch die Teilung der Klasse in Blau- und Braunäugige. Am ersten Tag bevorzugte sie die blauäugigen und benachteiligte die braunäugigen Kinder. Am nächsten Tag drehte die Pädagogin den Spiess um und schien den braunäugigen mehr Rechte zuzuschreiben als ihren blauäugigen Mitschülerinnen und Mitschülern. Es war erschreckend, wie schnell sich die jeweiligen Kindergruppen an ihre Machtposition gewöhnten: Sie begannen, ihre vor kurzem noch befreundeten Klassenkameradinnen und -kameraden wegen ihrer Augenfarbe zu diskriminieren.

Um die Zusammenhänge von Macht, Autorität und Gehorsam dreht sich auch der Film „Die Welle“, den wir am Mittwochmorgen zu Ende schauen konnten. Der Film verdeutlicht, dass selbst SchülerInnen eines Gymnasiums einer totalitären Bewegung verfallen können – angeführt von einer für sie wichtigen Autorität, ihrem Lehrer. Der Sog der Gemeinschaft ist derart stark, dass sie die Realität ausblenden, ihrem Gewissen nicht mehr folgen und letztlich die Kontrolle verlieren.

Hier wie auch an anderen Stellen wurde uns klar, wie leicht Menschen beeinflussbar und manipulierbar sind. Der Bildungsstatus ist dabei nicht unbedingt entscheidend. Das Einzige, was uns davor schützt, von (faschistischen) Ideologien verführt zu werden, ist – und dies betonte Herr Popper, der uns am späten Vormittag besuchte – die stetige Erinnerung an die fürchterlichen Verbrechen.

Der 90-Jährige, der schon seit 40 Jahren in der Schweiz lebt, beeindruckte und rührte uns mit seiner unglaublichen Lebensgeschichte: Er überlebte nicht nur drei Konzentrationslager, darunter das Vernichtungslager Auschwitz, in dem er Josef Mengele begegnete, sondern auch den Todesmarsch in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs.
Es war eine einzigartige und wichtige Erfahrung, Herrn Popper zu treffen. Als wir dem alten Mann zuhörten, wie er mit ruhiger Stimme erzählte, konnten wir kaum glauben, dass er es war, der all dies wirklich erlebt hatte und nun vor uns sass. Ein Erlebnis ging uns besonders unter die Haut: Während des Todesmarsches kletterte der damals zwölfjährige Junge heimlich auf einen Leichenwagen, um sich ausruhen zu können. Es waren noch nicht alle tot, aber er konnte kein Mitleid empfinden, es machte ihm nichts aus, auf dem Leichenwagen zu sein.

Am Donnerstag besuchten wir die KZ-Gedenkstätte Dachau in der Nähe von München. Unser Guide erklärte uns die Bedeutung des Lagers für das NS-Regime und gewährte uns einen Einblick in den grausamen Alltag. Für die meisten war der Krematoriumsbereich, der zentrale Gedenkort in der Gedenkstätte, der eindrucksvollste Teil der Führung, denn die Bilder, die im Kopf entstehen, sind sehr brutal und prägend. Da es immer weniger Zeitzeugen gibt, bleibt natürlich die Frage im Raum stehen, wie man zukünftigen Generationen das Geschehene näherbringen soll.

Für den Donnerstagabend wurden wir beauftragt, ein Programm auf die Beine zu stellen. Nach dem Besuch eines typischen Münchner Wirtshauses und dem Genuss eines Biers und eines Schnitzels stand Bowling auf dem Programm. Es stellte sich heraus, dass es einige versteckte Bowling-Talente in unserer Klasse gibt. Der letzte Wurf war besonders spannend: Der Kampf zwischen Maude, Gabriele und Frau Jarling endete mit einem Sieg der Deutschlehrerin.

Am Freitagvormittag besichtigten wir die Highlights von München – dies in Form einer geführten Segway-Tour. Zuerst standen wir noch recht unsicher auf den Zweirädern, aber mit der Zeit lernten wir, wie wir beschleunigen, stoppen und lenken konnten. Die freie Zeit im Anschluss nutzten wir, um Teile der Münchner Innenstadt – wie den Marienplatz oder den Odeonsplatz – zu Fuss zu erkunden und etwas zu essen. Am Nachmittag ging es leider wieder zurück nach Zürich.

Text: Klasse 5b