Realgymnasium Rämibühl Zürich

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«Sie müssen die Wahrheit sagen!»

Die Klasse 2b inszeniert eine Gerichtsverhandlung

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Wie wäre es wohl, in einem Gerichtssaal zu sitzen? Mit Staatsanwälten, Zeugen, Mandanten und ihren Verteidigern? Diese Erfahrung durfte unsere Klasse (2b) am 5. März machen. Grundlage bildeten die Ereignisse in dem von Lukas Hartmann verfassten Buch «Die Deutsche im Dorf», das wir zuvor gelesen hatten. Darin geht es um drei Jungen, die «einen Menschen in den Tod getrieben haben».

Teil 1 der Gerichtsverhandlung: Ein Bericht von Iohan Seyfarth

Wir hatten die Aufgabe, uns in ein Szenario hineinzudenken, in dem diese Protagonisten wegen Mordes angeklagt worden sind und nun über sie gerichtet werden soll. Wir konnten uns unsere Rollen selbst aussuchen, mit dabei waren: die Richter, die Staatsanwaltschaft, zwei psychologische Gutachter, mehrere Zeugen, ein Dutzend Verteidiger und natürlich die Angeklagten.

Sobald das Gericht die Verhandlungen eröffnet, geht es mit der Zeugenbefragung los. Zuerst wird ein Augenzeuge ins Kreuzverhör genommen, der direkt am Tatort gewesen ist. Er soll den Ablauf der Tat und die Art des Mordes bis ins kleinste Detail beschreiben. Ein weiterer Zeuge berichtet von verdächtigen Aktionen der Täter, zum Beispiel Spionage. Eine andere Zeugin wiederum, die eine enge Beziehung zum Mordopfer gepflegt und auch die Leiche gefunden hat, soll bestätigen, dass das Opfer auch wirklich verstorben ist.

Sowohl das Gericht als auch die Staatsanwälte löchern die Zeugen mit heftigen Fragen, die Strafverteidiger tun alles, um ihre Mandanten zu schützen, duellieren sich aber auch mit den Verteidigern anderer Angeklagten. Leider wird dieses teilweise hitzige Verfahren urplötzlich von der Klingel unterbrochen, die die Mittagspause einläutet. Die Verhandlungen werden schon bald fortgesetzt werden, aber auch schon der erste Teil dieses Experiments hat mir (und vermutlich auch den anderen) gut gefallen und uns einen spannenden Einblick in die Welt des Rechts gewährt.

Teil 2 der Gerichtsverhandlung: Ein Bericht von Paula Djalali und Chiara Eriksson

Wir haben lange genug warten müssen: Endlich wird die Gerichtsverhandlung weitergeführt! Aufgeregt lesen alle ihre Notizen erneut durch und versetzen sich wieder in ihre Rollen. Das Gericht informiert über den Ablauf des Verfahrens und die bisherigen Zeugen fassen ihre Aussage nochmals kurz zusammen. Dann kann es auch schon weitergehen.

Die Freundin der Verstorbenen macht ihre Aussage und wird sogleich von allen Seiten mit Fragen bombardiert: Wen trifft Ihrer Meinung nach die meiste Schuld? Sind Sie sich dessen wirklich sicher?
Auch die Mutter eines Angeklagten kommt ins Kreuzverhör: Wie steht es mit dem Verhältnis zu Ihrem Sohn? Hat er Ihnen wirklich die Wahrheit gesagt?

Aber sind diese beiden Zeugen nicht zu parteiisch? Fragen über Fragen, doch die meist gestellte und zentrale ist: Sind die Angeklagten schuldig oder nicht schuldig? Simons, Ottos und Christians Anwälte legen sich für ihre Klienten mächtig ins Zeug. Auch die Staatsanwaltschaft präsentiert wichtige Beweise und Tatsachen, gegen die die Angeklagten fast schon machtlos erscheinen.

Zum Schluss lesen die Staatsanwälte noch ihr Plädoyer vor und erhalten dafür selbst von ihren Gegnern einen kräftigen Applaus! Wer Schuld trägt und wer nicht - schlussendlich sind es die RichterInnen, die sich darüber einig werden müssen. Diese Frage kann jedoch nicht beantwortet werden, denn die Schulglocke hat uns wieder einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir müssen leider bis zur nächsten Lektion warten.

Teil 3 der Gerichtsverhandlung: Ein Bericht von Tyler Rara

Das Finale steht vor der Tür! Heute ist es soweit, wir erheben uns zum letzten Mal vor Gericht. Die Anwälte bereiten sich auf ihre Plädoyers vor. Die Spannung steigt. Es geht los!

Simons Anwälte fordern eine Freisprechung ihres Mandanten: Simon wollte lediglich seinen einzigen Freund Christian nicht verlieren. Er hatte nie beabsichtigt, der alten Frau Görres oder einer anderen Person zu schaden. Simon sei nur ein klassischer Mitläufer, kein Täter. Das Plädoyer ist sehr beeindruckend und bekommt deswegen Applaus vom Publikum. Doch dann sind auch schon Christians Anwälte an der Reihe: Sie machen es der Verteidigung von Simon gleich und verlangen ebenfalls eine Freisprechung. Sie stützen sich auf den Fakt, dass Christian in kindlicher Fantasie Frau Görres für Hitler hielt. Leider versuchten Christian und seine Freunde ihn mit Gewalt zu entlarven. Im Gegensatz zu den anderen kritisieren Ottos Anwälte die fehlenden Beweise und ungenauen Zeugenaussagen. Doch alle haben etwas gemeinsam: Sie halten den ganzen Vorfall für ein tragisches Missverständnis.

Nach einer kurzen Pause steht das Urteil endlich fest: Alle drei Angeklagten werden schuldig gesprochen! Simon bekommt die mildeste Strafe: drei Jahre hinter Gitter wegen Bedrohung. Christian wird sieben Jahre im Gefängnis für seine Straftaten, Bedrohung und schwere Körperverletzung, absitzen müssen. Und letztlich wegen Bedrohung, schwerer Körperverletzung und Hausfriedensbruch wird Otto zu neun Jahren Haft verurteilt. Man schaut sich um und sieht schockierte Gesichter von den Verteidigern und Mandanten, aber vom Publikum zustimmendes Nicken.

Im Rahmen der dreiteiligen Gerichtsverhandlung wurde eine alte Geschichte aufgedeckt und die dramatische Wahrheit ans Licht gebracht. Als Klasse fanden wir die Erfahrung abwechslungsreich und spannend. Die Aufgabe war einerseits herausfordernd, anderseits aber auch unterhaltsam.

Fotos: Marisa Caluori/Alessia Loeliger (4b)